Prüfen auf dem Prüfstand: Prüfungskultur in der Rechtswissenschaft, ein Bericht
Jährlich werden an der Universität Hamburg 14 000 Prüfungsleistungen, die sich aus den Klausuren und Hausarbeiten zusammensetzen, abgelegt. Als Studierender ist man oft auf die einzelnen Prüfungen fokusiert, was zum sog. scheuklappenmäßigen Lernen führt. Trotz der überragenden Bedeutung der Prüfungen vor allem bei der Ersten Juristischen Prüfung ist die rechtswissenschaftliche Prüfungskultur weitgehend unerforscht. Daher hat sich das Zentrum für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik (kurz: ZerF) diesen Umstand als Anlass genommen, die dritte Jahrestagung am 20.03. und 21.03.2012 dem Thema „Prüfen auf dem Prüfstand: Prüfungskultur in der Rechtswissenschaft“ in Hamburg zu widmen.
Der ZerF ist die erste Initiative der Universität, sich mit der Fachdidaktik zu beschäftigen. Die Lehre ist bisher weniger mit Prestige verbunden als die Forschung. Das gilt es zu ändern und eine Gleichberechtigung zwischen Lehre und Forschung zu schaffen.
Zunächst begrüßte und eröffnete Prof. Dr. Bork als einer der Direktoren des Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik die Veranstaltung. Es sei eine Bestandsaufnahme und die Analyse der derzeitigen Prüfungskultur nötig, um zu fragen, welche Änderungen von Nöten sind, so Bork. Neben der Frage der Kompetenzorientierung soll der Einfluss auf das Lernverhalten begutachtet werden. Die Jahrestagung ist als Auftaktveranstaltung gedacht, um erste Denkanstöße für ein bereits beabsichtigtes größeres Forschungsprojekt zu geben.
Auch sprachen der Vizepräsident für Studium und Lehre der Universität Hamburg, Prof. Dr. Fischer, und der Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft, Prof. Dr. Repgen ein Grußwort an die Anwesenden.
Die große Frage ist: „Prüfen, aber wie?“ Man hat als Lehrender einen Prüfungsauftrag. Die Erhebung der Leistungen erfolgt durch eine Prüfungsmethode, die in unserem Studium der Rechtswissenschaft häufig die Fallklausur darstellt. Es erfolgt daraufhin die Prüfungsauswertung, die durch einen Rückkopplungsprozess Aufschluss darüber geben soll, ob der Prüfungsauftrag erfüllt wurde. Doch indem der Aufgabensteller und der Korrektor nicht dieselbe Person sind, ist in den Prozess eine Zwischeninstanz geschaltet. Alle Professoren stellen zwar ihren Korrekturassistenten eine kurze Lösungsskizze zur Verfügung, doch die wenigsten liefern einen Bewertungsmaßstab, der den Korrektoren Anhaltspunkte für die Bewertung gibt, z.B. wie wird der Sprachstil oder die Argumentationsstruktur mitberücksichtigt. Folglich orientieren sich die Korrektoren an ihren subjektiven Vorstellungen und Momenten. Um den Studenten die Korrektur nachvollziehbar zu machen, sollte Transparenz dadurch geschaffen werden, dass es für alle korrigierten Klausuren und Hausarbeiten einen Bewertungsmaßstab geben sollte. Erschwerend kommt jedoch die Bezahlung der Korrektoren hinzu. In Passau wird den Korrektoren für eine fünfstündige Probeexamensklausur 7,50 € gezahlt, in Zürich dagegen 40 €. In Deutschland schafft die niedrige Bezahlung keinen Anreiz für eine individuelle Bewertung.
Zusätzlich ist bei der Pflichtfachprüfung des Ersten Staatsexamen der Prüfende nicht der Lehrende, was dazu führt, dass der Lehrauftrag nicht mit dem Prüfungsauftrag direkt korrespondiert. Das Examen ist eine externe Leistungsüberprüfung, die vom Curriculum getrennt ist. Darüber hinaus soll mit dem Staatsexamen die Befähigung zum Richteramt erzielt werden. Doch erfolgt bereits durch das Studium eine Selektion des Nachwuchses.
Ob die Prüfungskultur in der vorliegenden Weise hinnehmbar ist, erscheint mehr als fragwürdig. Es werden transparente Anforderungen gefordert, das heißt, es sollen auch Examensklausuren und Schwerpunktklausuren nach einer gewissen Zeit den Studierenden freigegeben werden. Doch davon ist das Prüfungsamt in Hamburg weit entfernt. So können die Studierenden sich nicht darauf einstellen, wie eine erfolgreiche Examensklausur auszusehen hat. Daher verlassen sie sich darauf, das Gelernte wiederzugeben. Eine systematische Herangehensweise erlernen die wenigsten Studierenden.
Auch alternative Lehr- und Prüfungsmethoden werden bei dem Jahrestagung diskutiert, z.B. mobiles Lernen mittels eines iPads oder Multipli-Choice-Tests.
Insgesamt hat die Jahrestagung viele Denkanstöße gegeben und es bleibt abzuwarten, ob sich die Prüfungskultur der Rechtswissenschaft ändert. Doch schon allein die Tatsache, dass sich selbst die Lehrenden dazu Gedanken machen, sollte positiv hervorgehoben werden!