Pressemitteilung: Prozess gegen IS-Rückkehrerin Elina F.
Eine Gruppe von Mitgliedern der Kritischen Jurastudierenden Hamburgs hat den Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Elina F. kritisch begleitet. Der Prozess wirft etliche Fragen auf. Am 9. September wird nun das Urteil erwartet.
Der Angeklagten Elina F. wird vorgeworfen, sich dem sog. Islamischen Staat (IS) angeschlossen und somit den Tatbestand des § 129b StGB verwirklicht zu haben. Elina F. ist gemeinsam mit ihrem Freund Serkan, gegen den bereits ein Haftbefehl vorlag, im Jahr 2013 über die Türkei nach Syrien ausgereist. Anfang des Jahres 2020 ist Elina F. gemeinsam mit ihren zwei Kindern nach Deutschland zurückgekehrt und saß bis zum Beginn des Prozesses in Untersuchungshaft.
Der gesamte Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht war geprägt von nennenswerten Umständen. Im Gegensatz zu Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder linker Organisationen im Kontext der §§ 129a, 129b StGB gaben alle Verfahrensbeteiligten ein sehr harmonisches Bild ab. Es wirkte so, als hätten alle Verfahrensbeteiligten einen Deal und das Verfahren müsste nicht geführt werden, weil das Urteil ohnehin feststehen würde. Zu unserer Überraschung haben laut Aussage der Vorsitzenden Richterin jedoch keine Absprachen stattgefunden. Fraglich bleibt jedoch, warum keiner der Verfahrensbeteiligten Fragen zu den eingeführten Beweismitteln hatte. Die gesamte Beweisaufnahme wurde durch eine angeblich umfangreiche Einlassung der Angeklagten dominiert. Die Einlassung wirkte durchweg konstruiert. Es gab massive Widersprüche zu ihrer Aussage bei der Vernehmung durch das LKA, sowie der Vernehmung der Zeug*innen. Besonders präsent ist ein Widerspruch bezüglich ihrer Bewaffnung. Elina F. gab zuerst an, nie eine Waffe getragen zu haben, was aber durch diverse Beweismittel widerlegt werden kann. Des Weiteren ist ihre Einlassung alles andere als umfangreich. Namen und Orte kann die Angeklagte nicht benennen. Es wird deutlich, dass sie Informationen bewusst zurückhält. Kein Wunder, denn bei der Dimension, die eine umfangreiche Aussage in der Regel hat, müsste sich Elina F. auch in ein Zeugenschutzprogramm begeben. Elina F. spielt die Rolle einer naiven Angeklagten, die nie etwas gewusst haben will und nun als nationalistische weiße Frau ohne Burka oder Kopftuch auftritt. Anstatt sich im letzten Wort bei allen kurdischen und ezidischen Menschen zu entschuldigen, die so viel Leid ertragen mussten, entschied Elina F., sich lieber bei Deutschland zu entschuldigen.
Es scheint, als hätte der deutsche Staat überhaupt kein Interesse, Verfahren gegen IS- Rückkehrerinnen zu führen. So verließ sich der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hauptsächlich auf die ach so glaubhafte Einlassung der Angeklagten, obwohl schon eine kurze Google- und Facebook-Recherche Widersprüche zur Einlassung offenbart.
Spektakulär und bisher eher unerwähnt blieb ihre Flucht in die Türkei und nach Deutschland. Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei ein MOPO-Journalist, der von der Mutter der Angeklagten engagiert wurde, Elina F. dabei zu helfen, aus der kurdischen Selbstverwaltungsregion in Nordsyrien (Rojava) zu fliehen.
Im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren Verfahren gegen IS Kämpfer*innen ist Elina F. „lediglich“ beschuldigt, Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein. Andere Frauen sind auch nach Völkerstrafrecht angeklagt, sich durch das Halten einer ezidischen Sklavin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB strafbar gemacht zu haben. Das Halten einer Sklavin kann Elina F. nicht nachgewiesen werden. Fraglich ist jedoch, warum dies nichtmal in Erwägung gezogen wurde, obwohl doch bekannt war, dass Serkan eine hohe Stellung im IS eingenommen hat und es „zum guten Ton gehörte“, das IS-Anhänger*innen eine Sklavin hielten. Auf die Frage der Sklavin*innenhaltung gab Elina F. wie so oft eine offensichtliche Falschaussage ab.
Auch unabhängig von einer Anklage nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB erscheint eine Anklage nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB (Verfolgung einer Gruppe durch Entziehung grundlegender Menschenrechte) treffender, denn der Islamische Staat hat multinationale Kriege im Nahen Osten geführt, über Terrorismus geht die Kriegsführung des IS bei weitem hinaus. Die Verfahren gegen IS-Rückkehrerinnen offenbaren mal wieder den ausschließlich generalpräventiven Charakter der Gesinnungsstrafbarkeit der §§ 129 ff. StGB. Solange die Angeklagte das Bild einer resozialisierten und integrierten Deutschen abgibt, ist eine Bestrafung für den deutschen Staat nicht mehr notwendig.
Auf Grund der Kriegsgefangenschaft in der kurdischen Selbstverwaltungsregion in Syrien ist davon auszugehen, dass das Strafmaß (berechtigterweise) gering ausfallen wird. Ein wichtiges Signal wäre es jedoch, der Angeklagten eine Mitschuld an den Taten des IS zuzusprechen. Die Angeklagte Elina F. hat sich bewusst und freiwillig entschieden, in einen Bürgerkrieg zu ziehen, der Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat und dem zehntausende Menschen zum Opfer gefallen sind.