Jäger: Strafrecht Allgemeiner Teil und Strafrecht Besonderer Teil
Die Werke „Strafrecht Allgemeiner Teil“ und „Strafrecht Besonderer Teil“ des Autors Christian Jäger, die nicht zuletzt wegen zeitgleicher Veröffentlichung und starker inhaltlicher Verzahnung hier zusammen erläutert werden sollen, tragen zu unrecht die Worte „Examens-Repetitorium“ in ihrem Titel. Die aus dem C.F. Müller-Verlag stammenden Lehrbücher eignen sich auch bereits vor dem Examen hervorragend zur Vorbereitung auf Klausuren und Hausarbeiten, wenngleich zugegeben werden muss, dass sie für den Anfänger etwas zu viel Wissen voraussetzen. Der allgemeine Teil liegt nunmehr in der fünften, der besondere Teil in der vierten Auflage erschienen.
Das Motto der C.F. Müller Reihe („Jura auf den Punkt gebracht“) ist hier Programm! Ohne große Umschweife behandelt der Autor anhand übersichtlicher, kleiner Übungsfälle die wichtigsten examensrelevanten Problemfelder, die im ersten juristischen Staatsexamen deutschlandweit beherrscht werden müssen. Zwar startet auch der allgemeine Teil mit einer Einleitung zum Thema „Allgemeine Grundlagen des Strafrechts“. Diese Einleitung beschränkt sich jedoch in etwas über 20 schnell gelesenen (und dank klarer Sprache: verstandenen) Seiten auf das absolut Wesentliche und veranschaulicht die wichtigen Eckpfeiler der Strafrechtslehre, die für das umfassende Systemverständnis unabdingbar sind (z.B. kurze Erläuterung zu den Strafzwecktheorien, die Grundsätze „nullum crimen, nulla poena …“).
Der Aufbau des allgemeinen Teils orientiert sich stark an der typischen Prüffolge im Fall: Nach der Behandlung der objektiven und subjektiven Zurechnung des Erfolges wird die Rechtswidrigkeit und sodann die Frage der Schuld in zahlreichen Facetten beleuchtet. Es schließen sich die Kapitel „Täterschaft und Teilnahme“, „Der Versuch“ und „Rücktritt vom Versuch an“, bevor der Autor auf die Deliktstypen des vorsätzlichen Unterlassungsdelikts sowie des fahrlässigen und erfolgsqualifizierten Delikts eingeht. Der allgemeine Teil schließt mit der Erläuterung der Konkurrenzen und der Wahlfeststellung ab.
Die 22 Untergliederungen (in Form von Paragraphen) des besonderen Teils sind ähnlich aufgebaut wie auch die entsprechenden Abschnitte im besonderen Teils des StGB. In einem ersten Kapitel werden als Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter nacheinander die Delikte gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, sodann die Beleidigungsdelikte und schließlich die Delikte gegen den persönlichen Lebens- und Geheimbereich behandelt. Das zweite Kapitel befasst sich mit den Delikten gegen das Vermögen, beginnt dabei mit Diebstahl und Unterschlagung, bevor die schweren Fälle des Diebstahls und die Qualifizierungen behandelt werden. Danach werden Raub und räuberischer Diebstahl, Betrug, Erpressung und räuberische Erpressung, Untreue und zuletzt die Anschlussdelikte der Begünstigung, Hehlerei usf. besprochen. Im dritten und letzten Kapitel widmet sich der Autor den Urkunds- und Geldfälschungsdelikten, den Delikten im Straßenverkehr, den examensrelevanten Fällen der Brandstiftung, den Sachbeschädigungs- und Computerdelikten, den Delikten gegen die Rechtspflege, den Amtsdelikten, den Umweltstraftaten und zuletzt der Jagdwilderei.
In nahezu jeder Untergliederung wird zunächst knapp auf das geschützte Rechtsgut eingegangen. Viele Delikte sind für ihre Abgrenzungsschwierigkeit anderen Delikten gegenüber bekannt. Jäger gelingt es, dem Studenten anhand kurzer Beispiele und griffiger Formulierungen die bekanntesten Abgrenzungen verschiedener Deliktstypen zu verdeutlichen. Exemplarisch seien hierbei die Ausführungen zur Abgrenzung des Betrugs zur Erpressung, zur Untreue und zum Diebstahl genannt.
Viele strafrechtliche Lehrbücher kranken an einem zu aufgeblähten Theorienblock, der die Materie auch für den fortgeschrittenen Leser oft nur komplizierter macht, anstatt ihn zu verdeutlichen. Das Konzept von Jäger geht jedoch auf. Auch oder gerade wegen der auf das Notwendigste beschränkten Theorie werden strafrechtliche Probleme auch dem Leser verdeutlicht, der die Vorlesungen aus den Anfangssemestern nur dunkel in Erinnerung hat (exemplarisch: Der knappe, aber vollständige Weg vom klassischen zum aktuellen Gewaltbegriff im Rahmen der Nötigung). Vor allen Dingen die Theorienlast ist womöglich dafür verantwortlich, dass viele Studenten Verständnis- und Aufbauschwierigkeiten haben. Das Verständnis wird dem Leser dadurch gegeben, dass nicht anhand abstrakter, sondern konkret am Beispielsfall aufgezogener Argumentationsmuster verdeutlicht wird, wozu das Anschließen an Meinung X führt und warum Meinung Y vielleicht überzeugender sein mag. Derjenige, der zu einzelnen Themen gleichwohl grundlegende theoretische Darstellungen wünscht, wird in den zahlreichen Fußnoten fündig, die auf weitergehende Literatur, insbesondere auch in Ausbildungszeitschriften verweisen.
Die Werke verwenden zwei verschiedene Arten der Exemplifizierung: Zum einen werden kleinere Probleme anhand von Beispielen erläutert. Komplexere Fragestellungen werden anhand kurzer Fälle aufgezogen, die sodann in gutachterlicher Form – teils über mehrere Seiten – gelöst werden. Generell wird in den stark „praxisrelevanten“ Werken häufig auf die Klausurrelevanz und auf den optimalen Klausuraufbau eingegangen. Dem Leser werden griffige und nutzbare Definitionen an die Hand gegeben, die sich zur Fallbearbeitung optimal eignen. Die häufig anzutreffende Warnung „Achtung Klausur“ macht den Leser auf die häufigsten Fallstricke aufmerksam.
Alles in allem sind die Werke „Strafrecht Allgemeiner Teil“ und „Strafrecht Besonderer Teil“ aus der Reihe „Unirep Jura Examens-Repetitorium“ des C.F. Müller Verlags wärmstens zu empfehlen. Der einigermaßen fortgeschrittene Student wird durch den gesunden Mix von nicht zu viel Theorie und einer großen Portion Praxis am Fall optimal auf das Examen vorbereitet (trotzdem sollte bedacht werden, dass die in den Werken behandelten Fälle vom Umfang her kein Examensniveau erreichen). Die Werke eignen sich – nicht zuletzt auch wegen der Verweise in den Fußnoten – optimal zur Einstiegsrecherche bei der konkreten Fallbearbeitung, beispielsweise in den Hausarbeiten. Preislich liegen die Werke, gemessen am Umfang, mit 20,95 € (AT) und 21,95 € (BT) absolut im Rahmen des Üblichen. Von uns daher die Höchstnote und eine klare Kaufempfehlung!
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